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Beispielformel für Reproduktionswert

Corona – Warum die Reproduktionszahl steigen kann, obwohl die aktuellen Neuinfizierten-Zahlen sinken

Jens Olaf Koch

Vorbemerkung 1: Diesen Blogbeitrag schreibe ich am 28.04.2020, gegen 15:30 Uhr – deshalb beziehe ich mich auf die gerade aktuellen Zahlen.

Vorbemerkung 2: Der Text bezieht sich nicht explizit auf die oben dargestellte Formel. Die Abbildung dient nur der allgemeinen Illustration.

 

Die Nettoreproduktionszahl R hat immer einen Zeitverzug. Wenn beispielsweise am 28.04. eine Zahl verkündet wird, beruht sie zwar auf den kompletten, am 28.04.2020 0:00 bekannten Meldezahlen.

Aber die letzten drei Tage (27.04., 26.04., 25.04.) vorher werden aufgrund der bekannten Ungenauigkeit der zeitnahen Meldedaten ausgeklammert. Man schaut also in die Vergangenheit, vier Tage, auf den Stand am 24.04.

Diese Ausklammerung ist auch mathematisch nachvollziehbar, weil für die letzten Tage immer zeitverzögert sehr viele Fälle nachgemeldet werden (das kann man immer sehr schön im RKI-Dashboard sehen). Die noch fehlenden neuen Fälle können die Berechnung deutlich verfälschen.

Das heißt, aktuell sinkende Neuinfektionen wirken sich erst zeitverzögert aus. Man vergleicht zurückliegende Tage mit noch weiter zurückliegenden Tagen, damit der Wert auch eine sinnvolle Aussagekraft hat. Das ist der Grund für den scheinbaren Widerspruch.

Hier die genaue Berechnung: Es werden Mittelwerte über die Infiziertenzahlen von zwei Viertagesfenstern gebildet, also – bezogen auf die Beispieldaten – einmal für den Zeitraum 21.04.-24.04. und einmal für 17.04.-20.04.

Diese Zahlen werden geteilt: neu durch alt – das ist der R-Wert, die Netto- bzw. aktuelle Reproduktionszahl (R0 ist die Basisreproduktionszahl, also quasi: natürliche Virusverbreitung ohne „Maßnahmen“).

Heute am 28.04.2020 lag der R-Wert nach Aussage von Lothar Wieler in der Pressekonferenz des Robert Koch-Instituts – nein, ich bin nicht verwandt – gerundet bei 1,0, tatsächlich bei 0,96. In den täglichen RKI-Berichten meist angegeben mit einer kleinen statistischen Unsicherheit von 0,1-0,2 in beide Richtungen.

Ich habe das selbst einmal anhand der heutigen RKI-Zahlen nachgerechnet und kann die Herleitung gut nachvollziehen.

Allerdings glättet das RKI die Meldezahlen, die im Dashboard angezeigt werden, in einem „Nowcasting“ genannten Verfahren, um die „Meldedellen“ auszugleichen, die an Wochenenden und Feiertagen entstehen, und eine Neuinfektionskurve zu bekommen, die mehr der Realität entspricht.

Genau beschrieben hat das RKI das gesamte Vorgehen zum Nowcasting und zur Berechnung von R, das ich hier hoffentlich korrekt zusammengefasst habe, im Epidemiologischen Bulletin 17/2020, ab Seite 10.

Beitragsbild: Detail aus einer Formelbeschreibung für R.

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